Das Buch Habakuk
1
Überschrift: 1,1
1 Ausspruch, den der Prophet Habakuk in einer Vision hörte.
Der Dialog des Propheten mit Gott: 1,2 - 2,5
Die Klage des Propheten
2 Wie lange, Herr, soll ich noch rufen / und du hörst nicht? Ich schreie zu dir: Hilfe, Gewalt! / Aber du hilfst nicht. 3 Warum lässt du mich die Macht des Bösen erleben / und siehst der Unterdrückung zu? Wohin ich blicke, sehe ich Gewalt und Misshandlung, / erhebt sich Zwietracht und Streit. 4 Darum ist das Gesetz ohne Kraft / und das Recht setzt sich gar nicht mehr durch. Die Bösen umstellen den Gerechten / und so wird das Recht verdreht.
Die Antwort Gottes
5 Seht auf die Völker, schaut hin, / staunt und erstarrt! Denn ich vollbringe in euren Tagen eine Tat - / würde man euch davon erzählen, ihr glaubtet es nicht. 6 Denn seht, ich stachle die Chaldäer auf, / das grausame, ungestüme Volk, das die Weiten der Erde durchzieht, / um Wohnplätze zu erobern, die ihm nicht gehören, 7 ein furchtbares und schreckliches Volk, / das selbst sein Recht und seinen Rang bestimmt. 8 Seine Pferde sind schneller als Panther, / wilder als die Wölfe der Steppe. Seine Rosse und Reiter stürmen heran, / sie kommen aus der Ferne, sie fliegen herbei wie ein Geier, / der sich auf seinen Fraß stürzt. 9 Sie rücken an, entschlossen zu roher Gewalt, / alle Gesichter vorwärts gerichtet. / Gefangene raffen sie zusammen wie Sand. 10 Sie machen sich sogar über Könige lustig / und lachen über mächtige Fürsten; ja, sie spotten über jede Festung, / sie schütten einen Erdwall auf und nehmen sie ein. 11 Dann ziehen sie weiter, / wie der Sturmwind sausen sie dahin. Doch sie werden es büßen, / denn sie haben ihre Kraft zu ihrem Gott gemacht.
Erneute Klage des Propheten
12 Herr, bist nicht du von Ewigkeit her mein heiliger Gott? / Wir wollen nicht sterben. Herr, du hast sie doch nur dazu gerufen, / an uns das Gericht zu vollziehen: Du, unser Fels, du hast sie dazu bestimmt, / uns zu bestrafen. 13 Deine Augen sind zu rein, um Böses mit anzusehen, / du kannst der Unterdrückung nicht zusehen. Warum siehst du also den Treulosen zu und schweigst, / wenn der Ruchlose den Gerechten verschlingt? 14 Warum behandelst du die Menschen / wie die Fische im Meer, / wie das Gewürm, das keinen Herrn hat? 15 Mit der Angel holt er sie alle herauf, / er schleppt sie weg in seinem Netz und rafft sie fort in seinem Fischgarn; / er freut sich darüber und jubelt. 16 Deshalb opfert er seinem Netz / und bringt seinem Fischgarn Rauchopfer dar; denn durch sie hat er reichen Gewinn / und ein üppiges Mahl. 17 Darum zückt er unablässig sein Schwert, / um ohne Erbarmen die Völker zu morden.
2
1 Ich will auf meinem Wachtturm stehen, / ich stelle mich auf den Wall und spähe aus, um zu sehen, was er mir sagt, / was er auf meine Klage entgegnet. 2 Der Herr gab mir Antwort und sagte: / Schreib nieder, was du siehst, schreib es deutlich auf die Tafeln, / damit man es mühelos lesen kann. 3 Denn erst zu der bestimmten Zeit trifft ein, / was du siehst; aber es drängt zum Ende und ist keine Täuschung; / wenn es sich verzögert, so warte darauf; / denn es kommt, es kommt und bleibt nicht aus. 4 Sieh her: Wer nicht rechtschaffen ist, schwindet dahin, / der Gerechte aber bleibt wegen seiner Treue am Leben. 5 Wahrhaftig, der Reichtum ist trügerisch, / wer hochmütig ist, kommt nicht ans Ziel, wenn er auch seinen Rachen aufsperrt wie die Unterwelt / und unersättlich ist wie der Tod, wenn er auch alle Völker zusammentreibt / und alle Nationen um sich vereinigt.
Die Weherufe: 2,6-20
Über den Habsüchtigen
6 Werden sie nicht alle ein Spottlied auf ihn anstimmen? / Ja, sie werden ihn verhöhnen und sagen: Weh dem, der zusammenrafft, was nicht ihm gehört, / und sich hohe Pfänder geben lässt. / Wie lange wird er es noch treiben? 7 Plötzlich werden vor dir deine Gläubiger stehen, / deine Bedränger werden erwachen und du wirst ihre Beute. 8 Du hast viele Völker ausgeplündert; / deshalb plündern jetzt die Völker dich aus, die übrig blieben, wegen des Blutes, das du vergossen hast / unter den Menschen, wegen der Gewalttaten, die du verübt hast / an Ländern und Städten und an all ihren Bewohnern.
Über den Ausbeuter
9 Weh dem, der für sein Haus unrechten Gewinn sucht / und sich hoch droben sein Nest baut, / um dem drohenden Unheil zu entgehen. 10 Zur Schande für dein eigenes Haus / hast du beschlossen, viele Völker niederzuschlagen; / damit sündigst du gegen dich selbst. 11 Es schreit der Stein in der Mauer / und der Sparren im Gebälk gibt ihm Antwort. 12 Weh dem, der eine Stadt mit Blut erbaut / und eine Festung auf Unrecht gründet. 13 Bewirkt es nicht der Herr der Heere, / dass die Völker sich plagen nur für das Feuer, / Nationen sich abmühen für nichts? 14 Ja, das Land wird erfüllt sein von der Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn, / so wie das Meer mit Wasser gefüllt ist.
Über den Gewalttätigen
15 Weh dem, der seinen Freund / aus dem Becher seines Zorns trinken lässt, ja, ihn betrunken macht, / damit man ihn nackt sieht. 16 Du sollst dich an Schande sättigen, nicht an Ehre; auch du sollst trinken und taumeln. Der Becher in der Hand des Herrn kommt nun zu dir; Schmach und Schande bedecken deine Ehre. 17 Denn dich erdrückt dein Verbrechen / gegen den Libanonwald und die Vernichtung des Großwilds lastet auf dir, / wegen des Blutes, das du vergossen hast unter den Menschen, wegen der Gewalttaten, die du verübt hast an Ländern und Städten / und an allen ihren Bewohnern.
Über den Götzendiener
18 Was nützt ein Götterbild, das ein Bildhauer macht, ein gegossenes Bild, ein Lügenorakel? Wie kann der Bildhauer auf den Götzen vertrauen, / auf das stumme Gebilde, das er selber gemacht hat? 19 Weh dem, der zum Holz sagt: Erwache!, / und zum stummen Stein: Wach auf! Gibt der Götze denn Auskunft? / Gewiss, er ist mit Silber und Gold überzogen, / doch er hat keinen Geist, keinen Atem. 20 Der Herr aber wohnt in seinem heiligen Tempel. Alle Welt schweige in seiner Gegenwart.
3
1 Gebet des Propheten Habakuk, nach der Melodie von Schigjonot. 2 Herr, ich höre die Kunde, / ich sehe, Herr, was du früher getan hast. Lass es in diesen Jahren wieder geschehen, / offenbare es in diesen Jahren! / Auch wenn du zürnst, denk an dein Erbarmen! 3 Gott kommt von Teman her, / der Heilige kommt vom Gebirge Paran. Seine Hoheit überstrahlt den Himmel, / sein Ruhm erfüllt die Erde. [Sela] 4 Er leuchtet wie das Licht der Sonne, / ein Kranz von Strahlen umgibt ihn, / in ihnen verbirgt sich seine Macht. 5 Die Seuche zieht vor ihm her, / die Pest folgt seinen Schritten. 6 Wenn er kommt, wird die Erde erschüttert, / wenn er hinblickt, zittern die Völker. Da zerbersten die ewigen Berge, / versinken die uralten Hügel. / [Das sind von jeher seine Wege.] 7 Die Zelte Kuschans sehe ich voll Unheil; / auch in Midian zittern die Zelte. 8 Herr, ist dein Zorn gegen die Flüsse entbrannt / [gegen die Flüsse dein Zorn] und dein Groll gegen das Meer, / dass du mit deinen Rossen heranstürmst / und mit deinen siegreichen Wagen? 9 Du hast den Bogen aus der Hülle genommen, / du hast die Pfeile auf die Sehne gelegt. [Sela] Du spaltest die Erde / und es brechen Ströme hervor; 10 dich sehen die Berge und zittern, / tosender Regen prasselt nieder; die Urflut brüllt auf / und reckt ihre Hände empor. 11 Sonne und Mond bleiben in ihrer Wohnung; / sie vergehen im grellen Licht deiner Pfeile, / im Glanz deiner blitzenden Lanze. 12 Voll Zorn schreitest du über die Erde, / in deinem Groll zerstampfst du die Völker. 13 Du ziehst aus, um dein Volk zu retten, / um deinem Gesalbten zu helfen. Vom Haus des Ruchlosen schlägst du das Dach weg / und legst das Fundament frei / bis hinab auf den Felsen. [Sela] 14 Mit deinen Pfeilen durchbohrst du den Kopf seiner Krieger, / die heranstürmen, um uns zu verjagen. Sie freuen sich schon voll Übermut, / in ihrem Versteck den Armen zu fressen. 15 Du bahnst mit deinen Rossen den Weg durch das Meer, durch das gewaltig schäumende Wasser. 16 Ich zitterte am ganzen Leib, als ich es hörte, / ich vernahm den Lärm und ich schrie. Fäulnis befällt meine Glieder / und es wanken meine Schritte. Doch in Ruhe erwarte ich den Tag der Not, / der dem Volk bevorsteht, das über uns herfällt. 17 Zwar blüht der Feigenbaum nicht, / an den Reben ist nichts zu ernten, der Ölbaum bringt keinen Ertrag, / die Kornfelder tragen keine Frucht; im Pferch sind keine Schafe, / im Stall steht kein Rind mehr. 18 Dennoch will ich jubeln über den Herrn / und mich freuen über Gott, meinen Retter. 19 Gott, der Herr, ist meine Kraft. / Er macht meine Füße schnell wie die Füße der Hirsche / und lässt mich schreiten auf den Höhen. (Dem Chormeister. Zum Saitenspiel.)
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