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Das Buch Jesus Sirach

Die Gottesfurcht im Leben der Gemeinschaft: 4,20 - 18,14

Die echte und die falsche Scham

20 Mein Sohn, achte auf die rechte Zeit / und scheue das Unrecht! Deiner selbst sollst du dich nicht schämen müssen.
21 Es gibt eine Scham, die Sünde bringt, / und eine Scham, die Ehre und Ruhm einträgt.
22 Sei nicht parteiisch, dir selbst zum Schaden, / strauchle nicht, dir selbst zum Fall.
23 Halte zur rechten Zeit dein Wort nicht zurück, / verbirg deine Weisheit nicht!
24 Denn die Weisheit zeigt sich in der Rede / und die Einsicht in der Antwort der Zunge.
25 Widerstreite der Wahrheit nicht; / deiner Torheit sollst du dich schämen.
26 Schäme dich nicht, von der Sünde umzukehren, / leiste nicht trotzig Widerstand!
27 Unterwirf dich nicht dem Toren, / nimm keine Rücksicht auf den Herrscher!
28 Bis zum Tod setz dich ein für das Recht, / dann wird der Herr für dich kämpfen.
29 Sei nicht prahlerisch mit deinen Worten / und schlaff und matt in deinem Tun!
30 Spiel nicht in deinem Haus den Löwen, / vor dem sich deine Knechte fürchten müssen.


Das rechte Verhalten gegen den Besitz

31 Deine Hand sei nicht ausgestreckt zum Nehmen / und verschlossen beim Zurückgeben.


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1 Verlass dich nicht auf deinen Reichtum / und sag nicht: Ich kann es mir leisten.
2 Folg nicht deinem Herzen und deinen Augen, / um nach dem Begehren deiner Seele zu leben.
3 Sag nicht: Wer vermag etwas gegen meine Macht? / Denn der Herr rächt die Verfolgten.
4 Sag nicht: Ich habe gesündigt, / doch was ist mir geschehen? / Denn der Herr hat viel Geduld.
5 Verlass dich nicht auf die Vergebung, / füge nicht Sünde an Sünde,
6 indem du sagst: Seine Barmherzigkeit ist groß, / er wird mir viele Sünden verzeihen. Denn Erbarmen ist bei ihm, aber auch Zorn, / auf den Frevlern ruht sein Grimm.
7 Zögere nicht, dich zu ihm zu bekehren, / verschieb es nicht Tag um Tag! Denn sein Zorn bricht plötzlich aus, / zur Zeit der Vergeltung wirst du dahingerafft.
8 Vertrau nicht auf trügerische Schätze; / sie nützen nichts am Tag des Zorns.


Die Verantwortung beim Reden

9 Worfle nicht bei jedem Wind / und geh nicht auf jedem Pfad!
10 Bleib fest bei deiner Überzeugung, / eindeutig sei deine Rede.
11 Sei schnell bereit zum Hören, / aber bedächtig bei der Antwort!
12 Nur wenn du imstande bist, antworte deinem Mitmenschen, / wenn nicht, leg die Hand auf den Mund!
13 Ehre und Schmach liegen in der Hand des Schwätzers, / des Menschen Zunge ist sein Untergang.
14 Lass dich nicht doppelzüngig nennen / und verleumde niemand mit deinen Worten!Denn für den Dieb ist Schande bestimmt, / schlimme Schmach für den Doppelzüngigen.
15 Im Kleinen wie im Großen handle nicht unrecht, / sei nicht statt eines Freundes ein Feind!


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1 Schlimmen Ruf und Schande erntet die schmähsüchtige Frau, / ebenso schlecht ist der doppelzüngige Mann.
2 Verfall nicht der Macht deiner Gier; / sie wird wie ein Stier deine Kraft abweiden.
3 Dein Laub wird sie fressen, deine Früchte verderben / und dich zurücklassen wie einen dürren Baum.
4 Freche Gier richtet ihre Opfer zugrunde / und macht sie zum Gespött des Feindes.


Die Freundschaft

5 Sanfte Rede erwirbt viele Freunde, / freundliche Lippen sind willkommen.
6 Viele seien es, die dich grüßen, / dein Vertrauter aber sei nur einer aus tausend.
7 Willst du einen Freund gewinnen, / gewinne ihn durch Erprobung, / schenk ihm nicht zu schnell dein Vertrauen!
8 Mancher ist Freund je nach der Zeit, / am Tag der Not hält er nicht stand.
9 Mancher Freund wird zum Feind, / unter Schmähungen deckt er den Streit mit dir auf.
10 Mancher ist Freund als Gast am Tisch, / am Tag des Unheils ist er nicht zu finden.
11 In deinem Glück ist er eins mit dir, / in deinem Unglück trennt er sich von dir.
12 Trifft dich ein Unglück, wendet er sich gegen dich / und hält sich vor dir verborgen.
13 Von deinen Feinden halte dich fern, / vor deinen Freunden sei auf der Hut!
14 Ein treuer Freund ist wie ein festes Zelt; / wer einen solchen findet, hat einen Schatz gefunden.
15 Für einen treuen Freund gibt es keinen Preis, / nichts wiegt seinen Wert auf.
16 Das Leben ist geborgen bei einem treuen Freund, / ihn findet, wer Gott fürchtet.
17 Wer den Herrn fürchtet, hält rechte Freundschaft, / wie er selbst, so ist auch sein Freund.


Der Weg zur Weisheit

18 Mein Sohn, lerne Zucht von Jugend an / und du wirst Weisheit gewinnen, bis du ergraut bist.
19 Wie ein Pflüger und Schnitter geh auf sie zu / und warte auf ihren reichen Ertrag! Du wirst in ihrem Dienst nur wenig Mühe haben / und bald ihre Früchte genießen.
20 Rau ist sie für den Toren, / wer ohne Einsicht ist, erträgt sie nicht.
21 Wie ein schwerer Stein lastet sie auf ihm, / er zögert nicht, sie abzuwerfen.
22 Denn die Zucht ist wie ihr Name, / vielen ist sie unbequem.
23 Höre, mein Sohn, nimm meine Lehre an, / verschmäh nicht meinen Rat!
24 Bring deine Füße in ihre Fesseln, / deinen Hals unter ihr Joch!
25 Beuge deinen Nacken und trage sie, / werde ihrer Stricke nicht überdrüssig!
26 Mit ganzem Herzen schreite auf sie zu, / mit voller Kraft halte ihre Wege ein!
27 Frage und forsche, suche und finde! / Hast du sie erfasst, lass sie nicht wieder los!
28 Denn schließlich wirst du bei ihr Ruhe finden, / sie wandelt sich dir in Freude.
29 Ihre Fessel wird dir zum sicheren Schutz, / ihre Stricke werden zu goldenen Gewändern.
30 Ein Goldschmuck ist ihr Joch, / ihre Garne sind ein Purpurband.
31 Als Prachtgewand kannst du sie anlegen, / sie aufsetzen als herrliche Krone.
32 Wenn du willst, mein Sohn, kannst du weise werden, / du wirst klug, wenn du dein Herz darauf richtest.
33 Bist du bereit zu hören, so wirst du belehrt, / neigst du dein Ohr, erlangst du Bildung.
34 Verweile gern im Kreis der Alten, / wer weise ist, dem schließ dich an!
35 Lausche gern jeder ernsten Rede, / keinen Weisheitsspruch lass dir entgehen!
36 Achte auf den, der Weisheit hat, und suche ihn auf; / dein Fuß trete seine Türschwelle aus.
37 Achte auf die Furcht vor dem Herrn, / sinn allezeit über seine Gebote nach! Dann gibt er deinem Herzen Einsicht, / er macht dich weise, wie du es begehrst.


7

Gefahren für den Weisen

1 Tu nichts Böses, so trifft dich nichts Böses. /
2 Bleib der Sünde fern, so meidet sie dich.
3 Säe nicht in Furchen des Unrechts, / damit du es nicht siebenfach erntest.
4 Begehr von Gott kein Herrscheramt / und vom König keinen Ehrenplatz!
5 Halte dich nicht für gerecht vor Gott, / nicht für klug vor dem König!
6 Begehr nicht, Herrscher zu werden, / wenn dir die Kraft fehlt, dem Übermut zu steuern;du würdest sonst den Vornehmen fürchten / und deine Ehre beflecken.
7 Setz dich nicht ins Unrecht bei der Versammlung am Tor, / bring dich nicht selbst zu Fall vor der Gemeinde!
8 Sinne nicht darauf, die Sünde zu wiederholen; / schon bei einer bleibst du nicht straflos.
9 Sag nicht: Auf die Menge meiner Gaben wird Gott sehen, / und wenn ich dem Höchsten opfere, nimmt er es an.
10 Sei nicht kleinmütig beim Gebet / und nicht säumig beim Wohltun!
11 Blick nicht geringschätzig auf einen Verbitterten; / bedenk, dass einer da ist, der erhöht und erniedrigt.
12 Sinne nicht auf Unrecht gegen deinen Bruder, / auch nicht gegen den Freund und Gefährten.
13 Jede Lüge missfalle dir; / denn sie hat nichts Gutes zu erhoffen.
14 Rede nicht heimlich in der Versammlung der Fürsten / und wiederhol nicht die Worte beim Gebet!
15 Sei nicht leichtfertig bei der schweren Arbeit auf dem Acker, / denn von Gott ist sie zugewiesen.
16 Überschätz dich nicht vor dem Volk; / bedenk, dass der Zorn nicht ausbleibt.
17 Demütige deinen Stolz ganz tief, / denn was den Menschen erwartet, ist die Verwesung. [Sag nicht vorschnell: Welch ein Widersinn! / Überlass es Gott und willige ein in seinen Weg!]


Das rechte Verhalten im häuslichen Kreis

18 Wechsle keinen Freund für Geld, / einen treuen Bruder nicht für Gold aus Ofir!
19 Verachte nicht eine kluge Frau; / liebenswürdige Güte ist mehr wert als Perlen.
20 Misshandle einen Sklaven nicht, der dir treu dient, / auch nicht einen Tagelöhner, der sich willig einsetzt.
21 Einen klugen Sklaven liebe wie dich selbst, / verweigere ihm die Freilassung nicht!
22 Hast du Vieh, so schau darauf; / ist es brauchbar, so behalt es!
23 Hast du Söhne, nimm sie in Zucht / und gib ihnen Frauen in jungen Jahren!
24 Hast du Töchter, so behüte ihren Leib; / zeig dich ihnen nicht allzu freundlich!
25 Bring die Tochter aus dem Haus, dann zieht die Sorge aus; / doch verheirate sie nur mit einem verständigen Mann!
26 Hast du eine Frau, so verstoße sie nicht / und schenk dein Vertrauen keiner Geschiedenen!
27 Ehre deinen Vater von ganzem Herzen, / vergiss niemals die Schmerzen deiner Mutter!
28 Denk daran, dass sie dir das Leben gaben. / Wie kannst du ihnen vergelten, was sie für dich taten?


Die Erfüllung heiliger Pflichten

29 Fürchte Gott von ganzem Herzen, / seine Priester halt in Ehren!
30 Liebe deinen Schöpfer mit aller Kraft / und lass seine Diener nie im Stich!
31 Ehre Gott und achte den Priester, / entrichte ihm den Anteil, wie es dir geboten ist: den Speiseanteil vom Schuldopfer und die freiwillige Abgabe, / die gesetzlichen Schlachtopfer und die heilige Abgabe.
32 Streck deine Hand auch dem Armen entgegen, / damit dein Segen vollkommen sei.
33 Schenk jedem Lebenden deine Gaben / und auch dem Toten versag deine Liebe nicht!
34 Entzieh dich nicht den Weinenden, / vielmehr trauere mit den Trauernden!
35 Säume nicht, den Kranken zu besuchen, / dann wirst du von ihm geliebt.
36 Bei allem, was du tust, denk an das Ende, / so wirst du niemals sündigen.


8

1 Streite nicht mit einem Mächtigen, / damit du ihm nicht in die Hände fällst.
2 Kämpf nicht gegen einen Reichen an, / sonst wirft er zu deinem Verderben sein Geld ins Gewicht. Schon viele hat das Geld übermütig gemacht, / die Herzen der Großen hat es verführt.
3 Zank nicht mit einem Schwätzer / und leg nicht noch Holz auf das Feuer!
4 Pflege keinen Umgang mit einem Toren; / er wird die Weisen doch nur verachten.
5 Beschäm keinen, der sich von der Sünde bekehrt hat; / denk daran, dass wir alle schuldig sind.
6 Beschimpf keinen alten Mann, / denn auch mancher von uns wird ein Greis.
7 Freu dich nicht, wenn einer gestorben ist, / bedenk: Wir alle werden sterben.
8 Verwirf die Rede der Weisen nicht, / wirf dich vielmehr auf ihre Sinnsprüche! Denn dadurch wirst du Bildung lernen, / um vor Fürsten stehen zu können.
9 Verachte nicht die Überlieferung der Alten, / die sie übernommen haben von ihren Vätern. Dann wirst du Einsicht lernen, / um antworten zu können, sobald es notwendig ist.
10 Entzünde nicht die Glut des Frevlers, / damit du in der Flamme seines Feuers nicht verbrennst.
11 Weich einem Zuchtlosen nicht aus, / sonst lauert er heimlich auf deine Reden.
12 Borge keinem, der mächtiger ist als du. / Hast du geborgt, so hast du verloren.
13 Bürge für keinen, der höher steht als du. / Hast du gebürgt, so musst du zahlen.
14 Rechte nicht mit einem Richter; / denn er spricht Recht, wie es ihm beliebt.
15 Mit einem Gewalttätigen geh nicht des Wegs, / damit du nicht schweres Unheil über dich bringst. Denn er läuft rücksichtslos weiter / und du gehst zugrunde durch seinen Unverstand.
16 Einem Jähzornigen biete nicht die Stirn / und reite mit ihm nicht durch die Wüste! Leicht wiegt in seinen Augen die Blutschuld; / wenn kein Helfer da ist, bringt er dich um.
17 Führe kein vertrauliches Gespräch mit einem Toren; / er kann dein Geheimnis nicht für sich behalten.
18 Vor einem Fremden tu nichts, was geheim bleiben soll; / du weißt nicht, wie er sich am Ende verhält.
19 Öffne dein Herz nicht jedem Menschen / und wirf das Glück nicht von dir!


9

1 Sei nicht eifersüchtig gegen die Frau an deiner Brust, / damit sie nicht auf böse Gedanken gegen dich selbst kommt.
2 Liefere dich nicht einer Frau aus, / damit sie nicht Gewalt bekommt über dich.
3 Nah dich nicht einer fremden Frau, / damit du nicht in ihre Netze fällst.
4 Verkehr nicht mit einer Saitenspielerin, / damit du nicht durch ihre Töne gefangen wirst.
5 Denk nicht zu viel an ein Mädchen, / damit du nicht seinetwegen der Strafe verfällst.
6 Gib dich nicht mit einer Dirne ab, / damit sie dich nicht um dein Erbe bringt.
7 Schau nicht umher auf den Wegen zur Stadt, / streif nicht umher in ihren abgelegenen Winkeln!
8 Verhüll dein Auge vor einer reizvollen Frau, / blick nicht auf eine Schönheit, die dir nicht gehört. Wegen einer Frau kamen schon viele ins Verderben, / sie versengt ihre Liebhaber wie Feuer.
9 Streck dich nicht mit einer Verheirateten zum Weingelage hin, / sitz nicht berauscht mit ihr zusammen, / damit du ihr nicht dein Herz zuneigst und verblutend ins Grab sinkst.


Der rechte Umgang von Mann zu Mann

10 Gib einen alten Freund nicht auf; / denn ein neuer hält nicht zu dir. Neuer Freund, neuer Wein: / Nur alt trinkst du ihn gern.
11 Sei nicht neidisch auf einen bösen Menschen; / denn du weißt nicht, wann sein Tag ihn erreicht.
12 Liebäugle nicht mit einem übermütigen Menschen, der Erfolg hat, / bedenk, dass er nicht bis zum Tod straflos bleibt.
13 Bleib dem Menschen fern, der Macht hat zu töten, / und setz dich nicht Todesängsten aus!Nahst du dich ihm, so verfehle dich nicht, / sonst nimmt er dir das Leben. Wisse, dass du dich zwischen Schlingen bewegst / und über eine Fanggrube schreitest.
14 Antworte deinem Nächsten, so gut du kannst, / du selbst aber berate dich mit Weisen!
15 Stell deine Überlegung zusammen mit Verständigen an / und berate alles in ihrem Kreis!
16 Gerechte Männer seien deine Tischgenossen, / dein Ruhm bestehe in der Gottesfurcht.
17 Die Hände der Weisen fassen das Richtige an, / ein redegewandter Weiser ist Herrscher in seinem Volk.
18 Gefürchtet in der Stadt ist der Schwätzer, / ein prahlerischer Mund ist verhasst.


10

1 Ein weiser Herrscher festigt sein Volk, / die Regierung eines Verständigen ist wohl geordnet.
2 Wie der Herrscher des Volkes, so seine Beamten, / wie das Haupt der Stadt, so ihre Bewohner.
3 Ein König ohne Zucht richtet die Stadt zugrunde, / volkreich wird die Stadt durch kluge Fürsten.
4 In Gottes Hand liegt die Herrschaft über den Erdkreis; / er setzt zur rechten Zeit den rechten Mann über ihn.
5 In Gottes Hand liegt der Erfolg eines Menschen, / er verleiht dem Gesetzgeber seine Würde.
6 Füg dem Nächsten keinerlei Unrecht zu, / geh nie den Weg des Übermuts!
7 Dem Herrn und den Menschen ist Übermut verhasst, / Unterdrückung gilt bei beiden als Untat.
8 Die Herrschaft geht von einem Volk auf das andere über / wegen Gewalttat und Übermut.
9 Warum überhebt sich der Mensch aus Staub und Asche, / dessen Leib schon zu Lebzeiten verwest?
10 Ein wenig Krankheit bringt den Arzt in Erregung: / Heute König, morgen tot!
11 Stirbt der Mensch, so wird ihm Moder zuteil, / Maden, Geschmeiß und Gewürm.
12 Mit dem Trotz des Menschen fängt sein Übermut an, / wenn sich sein Herz abkehrt von seinem Schöpfer.
13 Ein See der Maßlosigkeit ist die Sünde, / aus ihr quillt Unrecht hervor. Darum wirkt Gott Wunder und Plagen / und schlägt den Sünder bis zur Vernichtung.
14 Gott stürzt den Thron der Stolzen / und setzt an ihre Stelle die Demütigen.
15 []
16 Gott verwischt die Spuren der Völker, / ihren Wurzelstock schlägt er ab bis auf den Grund.
17 Er fegt sie aus dem Land und rottet sie aus, / ihr Andenken lässt er von der Erde verschwinden.
18 Maßlosigkeit ziemt dem Menschen nicht, / frecher Zorn nicht dem von einer Frau Geborenen.


Die wahre und die falsche Ehre

19 Welches Geschlecht ist geachtet? Das des Menschen. / Welches Geschlecht ist geachtet? Das des Gottesfürchtigen. Welches Geschlecht ist verachtet? Das des Menschen. / Welches Geschlecht ist verachtet? Das des Gesetzesübertreters.
20 Unter Brüdern ist ihr Oberhaupt geehrt, / aber in Gottes Augen der Gottesfürchtige.
21 []
22 Gast und Fremder, Ausländer und Armer: / ihr Ruhm ist die Gottesfurcht.
23 Keinen verständigen Armen soll man verachten / und keinen Gewalttätigen ehren.
24 Fürsten, Richter und Herrscher sind geehrt, / doch keiner ist größer als der Gottesfürchtige.
25 Einem verständigen Sklaven müssen Freie dienen, / doch ein kluger Mann braucht nicht zu klagen.
26 Spiel nicht den Weisen, wenn du arbeiten sollst, / tu nicht vornehm, wenn du in Not bist.
27 Besser einer, der arbeitet und großen Reichtum gewinnt, / als einer, der vornehm tut und nichts zu essen hat.
28 Mein Sohn, in Demut ehre dich selbst, / beurteile dich, wie du es verdienst.
29 Wer wird den rechtfertigen, der sich selbst ins Unrecht setzt? / Wer wird den ehren, der sich selbst die Ehre abspricht?
30 Es gibt Arme, die wegen ihrer Klugheit geehrt sind. Es gibt Leute, die wegen ihres Reichtums geehrt sind.
31 Wird einer als Armer geehrt, wie viel mehr, wenn er reich wird. / Wird einer als Reicher verachtet, wie viel mehr, wenn er arm wird.


11

1 Weisheit erhebt das Haupt des Armen / und lässt ihn unter Fürsten sitzen.
2 Lobe keinen Menschen wegen seiner (schönen) Gestalt, verachte keinen Menschen wegen seines (bescheidenen) Aussehens!
3 Unansehnlich unter den geflügelten Tieren ist die Biene / und doch bringt sie den besten Ertrag ein.
4 Spotte nicht über das Kleid eines Betrübten, / verhöhne keinen, der Trauertag hat. Denn unbegreiflich sind die Fügungen des Herrn, / verborgen ist den Menschen sein Tun.
5 Viele, die unterdrückt waren, bestiegen den Thron, / viele, an die niemand dachte, trugen die Krone.
6 Viele, die hoch standen, wurden tief verachtet / und Angesehene wurden den Niedrigen ausgeliefert.
7 Tadle nicht, ehe du geprüft hast; / zuerst untersuche, dann weise zurecht!
8 Gib keine Antwort, bevor du gehört hast, / sprich nicht mitten in einer Rede!
9 Wenn du nicht beleidigt wirst, reg dich nicht auf! / Nimm nicht teil am Streit der Übermütigen!


Die rechte Einstellung zum Erwerb

10 Mein Sohn, warum willst du dir so viel Mühe bereiten? / Es bleibt doch keiner ungestraft, der zu hastig vorandrängt. Läufst du zu rasch, erreichst du das Ziel nicht; / fliehst du zu schnell, entkommst du nicht.
11 Da müht sich einer, plagt sich und hastet, / doch umso mehr bleibt er zurück.
12 Da ermattet einer und bricht unterwegs zusammen, / ist arm an Kraft und reich an Schwäche, doch das Auge des Herrn schaut ihn gütig an, / er schüttelt den schmutzigen Staub von ihm ab.
13 Er richtet sein Haupt auf und erhöht ihn, / sodass viele über ihn staunen.
14 Gutes und Böses, Leben und Tod, / Armut und Reichtum kommen vom Herrn.
15 [Weisheit, Einsicht und Kenntnis des Gesetzes sind vom Herrn, / Liebe und Rechtschaffenheit kommen von ihm.
16 Irrtum und Finsternis sind für die Sünder erschaffen; / wer sich des Bösen rühmt, mit dem wird das Böse alt.]
17 Der Lohn des Herrn für den Gerechten steht fest, / sein Wille setzt sich für immer durch.
18 Mancher wird reich, weil er sich plagt, / doch verwirkt er seinen Erwerb.
19 Er sagt zwar zu gegebener Zeit: Ich habe Ruhe gefunden, / nun will ich meine Güter genießen. Aber er weiß nicht, wie lange es dauert; / er hinterlässt sie andern und stirbt.
20 Mein Sohn, steh fest in deiner Pflicht und geh ihr nach, / bei deinem Tun bleibe bis ins Alter!
21 Wundere dich nicht über die Übeltäter; / früh morgens mach dich auf zum Herrn und hoffe auf sein Licht! Denn leicht ist es in den Augen des Herrn, / den Armen plötzlich und schnell reich zu machen.
22 Gottes Segen ist der Lohn des Gerechten, / zur bestimmten Zeit blüht seine Hoffnung auf.
23 Sag nicht: Ich habe meine Wünsche erfüllt, / was geht mir noch ab?
24 Sag nicht: Ich bin versorgt, / welches Unheil könnte über mich kommen?
25 Das Glück von heute lässt das Unglück vergessen, / das Unglück von heute lässt das Glück vergessen.
26 Denn leicht ist es in den Augen des Herrn, / am Todestag dem Menschen nach seinen Taten zu vergelten.
27 Schlimme Zeit lässt die Lust vergessen, / das Ende des Menschen gibt über ihn Auskunft.
28 Preise niemand glücklich vor seinem Tod; / denn erst an seinem Ende erkennt man den Menschen.


Die rechte Vorsicht

29 Bring nicht jeden Menschen ins Haus; / denn viele Wunden schlägt der Verleumder.
30 Wie ein im Korb gefangener Vogel ist das Herz des Übermütigen / oder wie ein Spion, der eine Bresche erspäht.
31 Der Verleumder verkehrt Gutes in Böses / und deine besten Absichten bringt er in Verdacht.
32 Einen Funken entfacht er zum Brand, / der Niederträchtige lauert auf Blut.
33 Hüte dich vor einem Bösen, denn er zeugt Böses. / Warum willst du für immer einen Makel davontragen?
34 Nimmst du den Fremden auf, entfremdet er dich deiner Lebensart; / er entzweit dich mit deiner Familie.


12

1 Wenn du Gutes tust, wisse, wem du es tust, / dann wirst du Dank ernten für deine Wohltat.
2 Tu dem Gerechten Gutes; dann findest du Lohn, / wenn nicht von ihm, so doch vom Herrn.
3 Ohne Dank bleibt, wer einen Frevler beschenkt, / auch hat er kein gutes Werk vollbracht.
4 Gib dem Guten, nicht aber dem Bösen, / unterstütze den Demütigen, gib nicht dem Hochmütigen!
5 Rüste ihn nicht mit Kampfwaffen aus, / sonst greift er dich selbst mit ihnen an. Doppeltes Übel trifft dich [in der Zeit der Not] / für all das Gute, das du ihm getan hast.
6 Denn auch Gott hasst die Bösen, / den Frevlern vergilt er mit Strafe.
7 []
8 Im Glück erkennt man den Freund nicht, / aber im Unglück bleibt der Feind nicht verborgen.
9 Im Glück ist auch der Feind ein Freund; / im Unglück wendet auch der Freund sich ab.
10 Trau niemals einem Feind; / denn seine Bosheit gleicht dem rostenden Eisen.
11 Zeigt er sich auch willig und tut unterwürfig, / nimm dich in Acht und hüte dich vor ihm! Sei zu ihm wie ein Spiegelputzer / und beachte die letzten Spuren des Rostes!
12 Lass ihn nicht an deiner Seite stehen, / sonst stürzt er dich und tritt an deine Stelle. Lass ihn nicht zu deiner Rechten sitzen, / sonst strebt er nach deinem Sitz. Zu spät begreifst du dann meine Worte / und stimmst in meine Klage ein.
13 Wer bedauert den Schlangenbeschwörer, wenn er gebissen wird, / und den, der sich reißenden Tieren nähert?
14 Ihnen gleicht, wer mit einem Schurken verkehrt / und sich in seine Sünden verstrickt.
15 Solange er neben dir steht, zeigt er sich nicht offen, / wankst du aber, hält er nicht stand.
16 Auf seinen Lippen hat der Gegner süße Worte, / doch in seinem Herzen sinnt er auf Verderben. Mag auch der Feind mit seinen Augen weinen, / findet er Gelegenheit, wird er an Blut nicht satt.
17 Trifft dich ein Unglück, findet er sich ein; / als heuchelnder Helfer sucht er dich zu stürzen.
18 Er schüttelt den Kopf und schwingt die Hand, / doch unter viel dunklem Gerede ändert er das Gesicht.


13

1 Wer Pech anrührt, dem klebt es an der Hand; / wer mit einem Zuchtlosen umgeht, nimmt seine Art an.
2 Wie willst du tragen, was dir zu schwer ist? / Ist einer reicher als du, wie kannst du mit ihm zusammengehen? Wie kann der irdene Topf mit dem Kessel zusammengehen? / Der Kessel stößt an ihn und er zerbricht.
3 Der Reiche tut Unrecht und prahlt noch damit, / der Arme leidet Unrecht und muss um Gnade bitten.
4 Bist du ihm nützlich, ist er um dich bemüht, / brichst du zusammen, lässt er dich im Stich.
5 Hast du etwas, gibt er dir schöne Worte, / doch er macht dich arm, ohne dass es ihm Leid tut.
6 Hat er dich nötig, schmeichelt er dir, / er lächelt dir zu und macht dir Hoffnung.
7 Solange es Vorteil bringt, hält er dich zum Besten, / zweimal, dreimal täuscht er dich. Sieht er dich dann wieder, geht er an dir vorbei / und schüttelt den Kopf über dich.
8 Gib Acht, wag dich nicht zu weit vor / und werde nicht wie die, denen der Verstand fehlt.
9 Naht sich ein Vornehmer, halte dich fern, / umso mehr wird er dich an sich ziehen.
10 Dräng dich nicht vor, sonst musst du dich wieder zurückziehen; / zieh dich aber nicht ganz zurück, sonst wirst du vergessen.
11 Sei nicht zu sicher im freien Umgang mit ihm, / trau nicht seinen vielen Reden! Mit seinen vielen Reden sucht er dich zu verführen, / er lächelt dir zu und forscht dich aus.
12 Grausam handelt der Mächtige und kennt kein Mitleid, / gegen das Leben vieler schmiedet er heimliche Pläne.
13 Gib Acht und sei vorsichtig, / geh nicht mit gewalttätigen Menschen!
14 []
15 Jedes Lebewesen liebt seinesgleichen, / jeder Mensch den, der ihm ähnlich ist.
16 Jedes Lebewesen hat seinesgleichen um sich, / mit seinesgleichen gehe auch der Mensch zusammen.
17 Geht etwa der Wolf mit dem Lamm zusammen? / Ebenso wenig der Frevler mit dem Gerechten.
18 Lebt etwa die Hyäne mit dem Hund in Frieden / und der Reiche in Frieden mit dem Armen?
19 Des Löwen Beute sind die Wildesel in der Wüste; / so sind die Geringen die Weide des Reichen.
20 Ein Gräuel für den Stolzen ist die Demut, / ein Gräuel für den Reichen ist der Arme.
21 Wankt ein Reicher, wird er vom Freund gestützt, / wankt ein Geringer, wird er vom Freund gestürzt.
22 Redet ein Reicher, so hat er viele Helfer. / Sein törichtes Gerede nennen sie schön. Redet ein Geringer, ruft man: Pfui! / Mag er auch klug reden, für ihn ist kein Platz.
23 Redet ein Reicher, dann schweigen alle, / sie erheben seine Klugheit bis zu den Wolken. Redet ein Geringer, heißt es: Wer ist denn das? / Stolpert er, dann stoßen sie ihn noch.


Der rechte Genuss

24 Gut ist der Reichtum, wenn keine Schuld an ihm klebt; / schlimm ist die Armut, die aus Übermut entstand.
25 Das Herz des Menschen verändert sein Gesicht / und macht es heiter oder traurig.
26 Zeichen des glücklichen Herzens ist ein frohes Gesicht; / Sorgen und Kummer sind quälendes Grübeln.


14

1 Wohl dem Menschen, dem sein eigener Mund keine Vorwürfe macht, / der nicht klagen muss vor Kummer über seine Sünden.
2 Wohl dem Menschen, der sich nicht selbst tadeln muss / und dessen Hoffnung nicht aufhört.
3 Einem Engherzigen steht Reichtum nicht an. / Wozu braucht ein Geiziger Gold?
4 Wer gegen sich selbst geizt, sammelt für einen andern; / in seinen Gütern wird ein Fremder schwelgen.
5 Wer sich selbst nichts gönnt, wem kann der Gutes tun? / Er wird seinem eigenen Glück nicht begegnen.
6 Keiner ist schlimmer daran als einer, der sich selbst nichts gönnt, / ihn selbst trifft die Strafe für seine Missgunst.
7 Tut er etwas Gutes, dann tut er es aus Versehen / und am Ende zeigt er seine Schlechtigkeit.
8 Schlimm ist ein Geizhals, / der sein Gesicht abwendet und die Hungernden verachtet.
9 Dem Auge des Toren ist sein Besitz zu klein, / ein geiziges Auge trocknet die Seele aus.
10 Das Auge des Geizigen hastet nach Speise, / Unruhe herrscht an seinem Tisch. [Ein gütiges Auge mehrt das Brot, / selbst eine schwache Quelle spendet Wasser auf den Tisch.]
11 Mein Sohn, wenn du imstande bist, pflege dich selbst; / so weit du kannst, lass es dir gut gehen!
12 Denk daran, dass der Tod nicht säumt / und die Frist bis zur Unterwelt dir unbekannt ist.
13 Bevor du stirbst, tu Gutes dem Freund; / beschenk ihn, so viel du vermagst.
14 Versag dir nicht das Glück des heutigen Tages; / an der Lust, die dir zusteht, geh nicht vorbei!
15 Musst du nicht einem andern deinen Besitz hinterlassen, / den Erben, die das Los werfen über das, was du mühsam erworben hast?
16 Beschenk den Bruder und gönn auch dir etwas; / denn in der Unterwelt ist kein Genuss mehr zu finden.
17 Wir alle werden alt wie ein Kleid; / es ist ein ewiges Gesetz: Alles muss sterben.
18 Wie sprossende Blätter am grünen Baum / - das eine welkt, das andere wächst nach -, so sind die Geschlechter von Fleisch und Blut: / das eine stirbt, das andere reift heran.
19 Alle ihre Werke vermodern, / was ihre Hände schufen, folgt ihnen nach.


Das rechte Suchen nach Weisheit

20 Wohl dem Menschen, der nachsinnt über die Weisheit, / der sich bemüht um Einsicht,
21 der seinen Sinn richtet auf ihre Wege / und auf ihre Pfade achtet,
22 der ihr nachgeht wie ein Späher / und an ihren Eingängen lauert,
23 der durch ihre Fenster schaut / und an ihren Türen horcht,
24 der sich bei ihrem Haus niederlässt / und seine Zeltstricke an ihrer Mauer befestigt,
25 der neben ihr sein Zelt aufstellt / und so eine gute Wohnung hat,
26 der sein Nest in ihr Laub baut / und in ihren Zweigen die Nacht verbringt,
27 der sich in ihrem Schatten vor der Hitze verbirgt / und im Schutz ihres Hauses wohnt.


15

1 Wer den Herrn fürchtet, handelt so, / und wer am Gesetz fest hält, erlangt die Weisheit.
2 Sie geht ihm entgegen wie eine Mutter, / wie eine junge Gattin nimmt sie ihn auf.
3 Sie nährt ihn mit dem Brot der Klugheit / und tränkt ihn mit dem Wasser der Einsicht.
4 Er stützt sich auf sie und kommt nicht zu Fall, / er vertraut auf sie und wird nicht enttäuscht.
5 Sie erhöht ihn über seine Gefährten, / sie öffnet ihm den Mund in der Versammlung.
6 Sie lässt ihn Jubel und Freude finden, / unvergänglichen Ruhm wird sie ihm verleihen.
7 Für schlechte Menschen ist sie unerreichbar, / Unbeherrschte werden sie nicht schauen.
8 Den Zuchtlosen ist sie fern. / Lügner denken nicht an sie.
9 Schlecht klingt das Gotteslob im Mund des Frevlers, / es ist ihm von Gott nicht zugeteilt.
10 Im Mund des Weisen erklinge das Gotteslob / und wer dazu Vollmacht hat, unterrichte darin.


Die Verantwortung des Menschen

11 Sag nicht: Meine Sünde kommt von Gott. / Denn was er hasst, das tut er nicht.
12 Sag nicht: Er hat mich zu Fall gebracht. / Denn er hat keine Freude an schlechten Menschen.
13 Verabscheuungswürdiges hasst der Herr; / alle, die ihn fürchten, bewahrt er davor.
14 Er hat am Anfang den Menschen erschaffen / und ihn der Macht der eigenen Entscheidung überlassen.
15 [Er gab ihm seine Gebote und Vorschriften.] / Wenn du willst, kannst du das Gebot halten; / Gottes Willen zu tun ist Treue.
16 Feuer und Wasser sind vor dich hingestellt; / streck deine Hände aus nach dem, was dir gefällt.
17 Der Mensch hat Leben und Tod vor sich; / was er begehrt, wird ihm zuteil.
18 Überreich ist die Weisheit des Herrn; / stark und mächtig ist er und sieht alles.
19 Die Augen Gottes schauen auf das Tun des Menschen, / er kennt alle seine Taten.
20 Keinem gebietet er zu sündigen / und die Betrüger unterstützt er nicht.


16

1 Wünsch dir nicht schöne Kinder, wenn sie nichts taugen, / und freu dich nicht über missratene Söhne!
2 Mögen sie auch zahlreich sein, freu dich nicht über sie, / wenn sie keine Gottesfurcht besitzen.
3 Verlass dich nicht auf ihre Lebensdauer, / setz kein Vertrauen in ihre Zukunft! Besser als tausend ist einer [der Gottes Willen tut], / besser kinderlos sterben, als schlimme Nachkommen haben.
4 Durch einen einzigen Verständigen vermehrt sich die Stadt, / durch die Sippe der Abtrünnigen verödet sie.
5 Viel von dem hat mein Auge gesehen, / mehr noch hat mein Ohr vernommen:
6 Im Kreis der Frevler flammt Feuer auf; / gegen ein sündiges Volk entbrennt der Zorn.
7 Er hat den Fürsten der Vorzeit nicht verziehen, / als sie sich in ihrer Stärke empörten.
8 Er hat die Mitbürger Lots nicht geschont, / als sie zügellos waren in ihrem Übermut.
9 Er hat das todgeweihte Volk nicht geschont, / das wegen seiner Sünden das Land verlor,
10 auch nicht die sechshunderttausend Mann Fußvolk; / sie wurden dahingerafft wegen ihres verbrecherischen Herzens.
11 Wie erst ergeht es dem Einzelnen, der halsstarrig ist: / Ein Wunder wäre es, wenn er straflos bliebe. Denn bei Gott sind Erbarmen und Zorn, / er vergibt und verzeiht, / doch auch den Zorn schüttet er aus.
12 Sein Erbarmen ist so groß wie sein Strafen, / jeden richtet er nach seinen Taten.
13 Der Verbrecher entkommt nicht mit seinem Raub, / doch der Hoffnung des Gerechten setzt Gott kein Ende.
14 Jedem Wohltätigen wird sein Lohn zuteil, / jeder empfängt nach seinen Taten.
15 [Der Herr verhärtete das Herz des Pharao, / der ihn nicht erkannte, / obwohl seine Werke unter dem Himmel offenbar waren.
16 Sein Erbarmen ist allen seinen Geschöpfen sichtbar, / sein Licht und sein Dunkel hat er den Menschen zugeteilt.]
17 Sag nicht: Ich bin vor Gott verborgen, / wer denkt an mich in der Höhe? In der großen Menge bleibe ich unbemerkt, / was bin ich in der Gesamtzahl der Menschen?
18 Der Himmel, der höchste Himmel, das Meer und das Land, / sie wanken, wenn er sie heimsucht.
19 Der Untergrund der Berge und die Grundfesten der Erde, / sie erbeben gewaltig, wenn er sie anschaut.
20 Doch an mich denkt er nicht / und wer achtet auf meine Wege?
21 Sündige ich, sieht mich kein Auge, / betrüge ich ganz heimlich, wer weiß es? -
22 Das gerechte Tun, wer macht es bekannt? / Und was darf ich hoffen, wenn ich das Gebot halte?
23 Nur ein Unvernünftiger behauptet solches, / nur ein törichter Mensch denkt so.


Gottes Wege mit den Menschen

24 Hört auf mich und lernt von meiner Erfahrung, / richtet euren Sinn auf meine Worte!
25 Wohl überlegt trage ich meine Gedanken vor / und bescheiden teile ich mein Wissen mit:
26 Als Gott am Anfang seine Werke erschuf / und ihnen zu ihrem Dasein Gesetze gab,
27 hat er ihre Aufgabe für immer festgelegt / und ihren Machtbereich für alle Zeiten. Sie ermatten nicht und werden nicht müde, / sie lassen nicht nach in ihrer Kraft.
28 Keines seiner Werke verdrängt das andere / und bis in Ewigkeit widerstreben sie seinem Befehl nicht.
29 Dann hat der Herr auf die Erde geblickt / und sie mit seinen Gütern erfüllt.
30 Mit allerlei Lebewesen bedeckte er ihre Fläche / und sie kehren wieder zu ihr zurück.


17

1 Der Herr hat die Menschen aus Erde erschaffen / und lässt sie wieder zu ihr zurückkehren.
2 Gezählte Tage und eine bestimmte Zeit wies er ihnen zu / und gab ihnen Macht über alles auf der Erde.
3 Ihm selbst ähnlich hat er sie mit Kraft bekleidet / und sie nach seinem Abbild erschaffen.
4 Auf alle Wesen legte er die Furcht vor ihnen, / über Tiere und Vögel sollten sie herrschen.
5 []
6 Er bildete ihnen Mund und Zunge, Auge und Ohr / und ein Herz zum Denken gab er ihnen.
7 Mit kluger Einsicht erfüllte er sie / und lehrte sie, Gutes und Böses zu erkennen.
8 Er zeigte ihnen die Größe seiner Werke, / um die Furcht vor ihm in ihr Herz zu pflanzen.
9 Sie sollten für immer seine Wunder rühmen /
10 und seinen heiligen Namen loben.


Die Erwählung Israels

11 Er hat ihnen Weisheit geschenkt / und ihnen das Leben spendende Gesetz gegeben.
12 Einen ewigen Bund hat er mit ihnen geschlossen / und ihnen seine Gebote mitgeteilt.
13 Ihre Augen sahen seine machtvolle Herrlichkeit, / ihr Ohr vernahm seine gewaltige Stimme.
14 Er sprach zu ihnen: Hütet euch vor allem Unrecht! / Er schrieb ihnen ihr Verhalten gegenüber dem Nächsten vor.
15 Ihre Wege liegen allezeit offen vor ihm, / sie sind nicht verborgen vor seinen Augen.
16 []
17 Für jedes Volk bestellte er einen Herrscher, / Israel aber ist der Erbbesitz des Herrn.
18 []
19 Alle ihre Taten stehen vor ihm wie die Sonne, / seine Augen ruhen stets auf ihren Wegen.
20 Ihre Frevel sind vor ihm nicht verborgen, / alle ihre Sünden stehen dem Herrn vor Augen.
21 []
22 Das Almosen eines jeden ist bei ihm wie ein Siegelring, / des Menschen Wohltat behütet er wie einen Augapfel.
23 Schließlich erhebt er sich und vergilt ihnen, / er lässt die Vergeltung über ihr Haupt kommen.


Reue und Umkehr

24 Den Reumütigen aber gewährt er Umkehr / und tröstet die Hoffnungslosen / [und bestimmte sie für ein Leben in der Wahrheit].
25 Wende dich zum Herrn, lass ab von der Sünde, / bete vor ihm und beseitige das Ärgernis!
26 Kehre zum Höchsten zurück und wende dich ab vom Bösen, / hasse stets das Schlechte!
27 Wer wird in der Unterwelt den Höchsten loben / anstelle derer, die leben und ihn preisen?
28 Beim Toten, der nicht mehr ist, verstummt der Lobgesang; / nur der Lebende und Gesunde preist den Herrn.
29 Wie groß ist das Erbarmen des Herrn / und seine Nachsicht gegen alle, die umkehren zu ihm.
30 Denn nicht wie Gott ist der Mensch, / Gottes Gedanken sind nicht wie die Gedanken der Menschen.
31 Was ist heller als die Sonne? / Und selbst sie verfinstert sich; / so ist auch das Begehren von Fleisch und Blut böse.
32 Das Heer in der Höhe zieht er zur Rechenschaft, / erst recht die Menschen, die nur Staub und Asche sind.


18

1 Der Herr, der in Ewigkeit lebt, hat alles insgesamt erschaffen, / der Herr allein erweist sich als gerecht.
2 []
3 []
4 Keiner vermag seine Werke zu verkünden. / Wer ergründet seine großen Taten?
5 Wer kann seine gewaltige Größe beschreiben / und seine großen Taten aufzählen bis zum Ende?
6 Man kann nichts wegnehmen und nichts hinzutun, / unmöglich ist es, die Wunder des Herrn zu ergründen.
7 Ist der Mensch am Ende angelangt, / steht er noch am Anfang, / wenn er es aufgibt, ist er ratlos.
8 Was ist der Mensch und wozu nützt er? / Was ist gut an ihm und was ist schlecht?
9 Das Leben eines Menschen dauert / höchstens hundert Jahre.
10 Wie ein Wassertropfen im Meer und wie ein Körnchen im Sand, / so verhalten sich die wenigen Jahre zu der Zeit der Ewigkeit.
11 Darum hat der Herr mit ihnen Geduld / und er gießt über sie sein Erbarmen aus.
12 Er sieht und weiß, dass ihr Ende schlimm ist; / darum hat er so viel Nachsicht mit ihnen.
13 Das Erbarmen des Menschen gilt nur seinem Nächsten, / das Erbarmen des Herrn allen Menschen. Er weist zurecht, erzieht und belehrt / und führt wie ein Hirt seine Herde zurück.
14 Glücklich alle, die auf sein Erbarmen hoffen / und seine Gebote annehmen.