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Das Buch Ijob

9

Ijobs Gegenrede: 9,1 - 10,22

Gottes Macht

1 Da antwortete Ijob und sprach:
2 Wahrhaftig weiß ich, dass es so ist: / Wie wäre ein Mensch bei Gott im Recht!
3 Wenn er mit ihm rechten wollte, / nicht auf eins von tausend könnt er ihm Rede stehen.
4 Weisen Sinnes und stark an Macht - / wer böte ihm Trotz und bliebe heil?
5 Er versetzt Berge; sie merken es nicht, / dass er in seinem Zorn sie umstürzt.
6 Er erschüttert die Erde an ihrem Ort, / sodass ihre Säulen erzittern.
7 Er spricht zur Sonne, sodass sie nicht strahlt, / er versiegelt die Sterne.
8 Er spannt allein den Himmel aus / und schreitet einher auf den Höhen des Meeres.
9 Er schuf das Sternbild des Bären, den Orion, / das Siebengestirn, die Kammern des Südens.
10 Er schuf so Großes, es ist nicht zu erforschen, / Wunderdinge, sie sind nicht zu zählen.
11 Zieht er an mir vorüber, ich seh ihn nicht, / fährt er daher, ich merk ihn nicht.
12 Rafft er hinweg, wer hält ihn zurück? / Wer darf zu ihm sagen: Was tust du da?
13 Gott hält seinen Zorn nicht zurück, / unter ihm mussten selbst Rahabs Helfer sich beugen.


Die Ohnmacht des Menschen

14 Wie sollte denn ich ihm entgegnen, / wie meine Worte gegen ihn wählen?
15 Und wär ich im Recht, ich könnte nichts entgegnen, / um Gnade müsste ich bei meinem Richter flehen.
16 Wollte ich rufen, würde er mir Antwort geben? / Ich glaube nicht, dass er auf meine Stimme hört.
17 Er, der im Sturm mich niedertritt, / ohne Grund meine Wunden mehrt,
18 er lässt mich nicht zu Atem kommen, / er sättigt mich mit Bitternis.
19 Geht es um Kraft, er ist der Starke, / geht es um Recht, wer lädt mich vor?
20 Wär ich im Recht, mein eigener Mund spräche mich schuldig, / wäre ich gerade, er machte mich krumm.
21 Schuldlos bin ich, doch achte ich nicht auf mich, / mein Leben werfe ich hin.
22 Einerlei; so sag ich es denn: / Schuldlos wie schuldig bringt er um.
23 Wenn die Geißel plötzlich tötet, / spottet er über der Schuldlosen Angst.
24 Die Erde ist in Frevlerhand gegeben, / das Gesicht ihrer Richter deckt er zu. / Ist er es nicht, wer ist es dann?
25 Schneller als ein Läufer eilen meine Tage, / sie fliehen dahin und schauen kein Glück.
26 Sie gleiten vorbei wie Kähne aus Schilf, / dem Adler gleich, der auf Beute stößt.
27 Sage ich: Ich will meine Klage vergessen, / meine Miene ändern und heiter blicken!,
28 so graut mir vor all meinen Schmerzen; / ich weiß, du sprichst mich nicht frei.
29 Ich muss nun einmal schuldig sein, / wozu müh ich mich umsonst?
30 Wollte ich auch mit Schnee mich waschen, / meine Hände mit Lauge reinigen,
31 du würdest mich doch in die Grube tauchen, / sodass meinen Kleidern vor mir ekelt.
32 Denn du bist kein Mensch wie ich, / dem ich entgegnen könnte: / Lasst uns zusammen zum Gericht gehen!
33 Gäbe es doch einen Schiedsmann zwischen uns! / Er soll seine Hand auf uns beide legen.
34 Er nehme von mir seine Rute, / sein Schrecken soll mich weiter nicht ängstigen;
35 dann will ich reden, ohne ihn zu fürchten. / Doch so ist es nicht um mich bestellt.


10

1 Zum Ekel ist mein Leben mir geworden, / ich lasse meiner Klage freien Lauf, / reden will ich in meiner Seele Bitternis.
2 Ich sage zu Gott: Sprich mich nicht schuldig, / lass mich wissen, warum du mich befehdest.
3 Nützt es dir, dass du Gewalt verübst, / dass du das Werk deiner Hände verwirfst, / doch über dem Plan der Frevler aufstrahlst?
4 Hast du die Augen eines Sterblichen, / siehst du, wie Menschen sehen?
5 Sind Menschentagen deine Tage gleich / und deine Jahre wie des Mannes Tage,
6 dass du Schuld an mir suchst, / nach meiner Sünde fahndest,
7 obwohl du weißt, dass ich nicht schuldig bin / und keiner mich deiner Hand entreißt?
8 Deine Hände haben mich gebildet, mich gemacht; / dann hast du dich umgedreht und mich vernichtet.
9 Denk daran, dass du wie Ton mich geschaffen hast. / Zum Staub willst du mich zurückkehren lassen.
10 Hast du mich nicht ausgegossen wie Milch, / wie Käse mich gerinnen lassen?
11 Mit Haut und Fleisch hast du mich umkleidet, / mit Knochen und Sehnen mich durchflochten.
12 Leben und Huld hast du mir verliehen, / deine Obhut schützte meinen Geist.
13 Doch verbirgst du dies in deinem Herzen; / ich weiß, das hattest du im Sinn.
14 Sündige ich, wirst du mich bewachen, / mich nicht freisprechen von meiner Schuld.
15 Wenn ich schuldig werde, dann wehe mir! / Bin ich aber im Recht, darf ich das Haupt nicht erheben, / bin gesättigt mit Schmach und geplagt mit Kummer.
16 Erhebe ich es doch, jagst du mich wie ein Löwe / und verhältst dich wieder wunderbar gegen mich.
17 Neue Zeugen stellst du gegen mich, / häufst deinen Unwillen gegen mich, / immer neue Heere führst du gegen mich.
18 Warum ließest du mich aus dem Mutterschoß kommen, / warum verschied ich nicht, ehe mich ein Auge sah?
19 Wie nie gewesen wäre ich dann, / vom Mutterleib zum Grab getragen.
20 Sind wenig nicht die Tage meines Lebens? / Lass ab von mir, damit ich ein wenig heiter blicken kann,
21 bevor ich fortgehe ohne Wiederkehr / ins Land des Dunkels und des Todesschattens,
22 ins Land, so finster wie die Nacht, / wo Todesschatten herrscht und keine Ordnung, / und wenn es leuchtet, ist es wie tiefe Nacht.