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Das Buch Ijob

38

Die Antwort Gottes: 38,1 - 41,26

Fragen zum Geheimnis der Schöpfung

1 Da antwortete der Herr dem Ijob aus dem Wettersturm und sprach:
2 Wer ist es, der den Ratschluss verdunkelt / mit Gerede ohne Einsicht?
3 Auf, gürte deine Lenden wie ein Mann: / Ich will dich fragen, du belehre mich!
4 Wo warst du, als ich die Erde gegründet? / Sag es denn, wenn du Bescheid weißt.
5 Wer setzte ihre Maße? Du weißt es ja. / Wer hat die Messschnur über ihr gespannt?
6 Wohin sind ihre Pfeiler eingesenkt? / Oder wer hat ihren Eckstein gelegt,
7 als alle Morgensterne jauchzten, / als jubelten alle Gottessöhne?
8 Wer verschloss das Meer mit Toren, / als schäumend es dem Mutterschoß entquoll,
9 als Wolken ich zum Kleid ihm machte, / ihm zur Windel dunklen Dunst,
10 als ich ihm ausbrach meine Grenze, / ihm Tor und Riegel setzte
11 und sprach: Bis hierher darfst du und nicht weiter, / hier muss sich legen deiner Wogen Stolz?
12 Hast du je in deinem Leben dem Morgen geboten, / dem Frührot seinen Ort bestimmt,
13 dass es der Erde Säume fasse / und dass die Frevler von ihr abgeschüttelt werden?
14 Sie wandelt sich wie Siegelton, / (die Dinge) stehen da wie ein Gewand.
15 Den Frevlern wird ihr Licht entzogen, / zerschmettert der erhobene Arm.
16 Bist du zu den Quellen des Meeres gekommen, / hast du des Urgrunds Tiefe durchwandert?
17 Haben dir sich die Tore des Todes geöffnet, / hast du der Finsternis Tore geschaut?
18 Hast du der Erde Breiten überblickt? / Sag es, wenn du das alles weißt.
19 Wo ist der Weg zur Wohnstatt des Lichts? / Die Finsternis, wo hat sie ihren Ort,
20 dass du sie einführst in ihren Bereich, / die Pfade zu ihrem Haus sie führst?
21 Du weißt es ja; du wurdest damals ja geboren / und deiner Tage Zahl ist groß.
22 Bist du zu den Kammern des Schnees gekommen, / hast du die Kammern des Hagels gesehen,
23 den ich für Zeiten der Drangsal aufgespart, / für den Tag des Kampfes und der Schlacht?
24 Wo ist der Weg dorthin, wo das Licht sich verteilt, / der Ostwind sich über die Erde zerstreut?
25 Wer grub der Regenflut eine Rinne, / einen Weg für das Donnergewölk,
26 um Regen zu senden auf unbewohntes Land, / auf die Steppe, darin niemand wohnt,
27 um zu sättigen die Wildnis und Öde / und frisches Gras sprossen zu lassen?
28 Hat der Regen einen Vater / oder wer zeugte die Tropfen des Taus?
29 Aus wessen Schoß ging das Eis hervor, / des Himmels Reif, wer hat ihn geboren?
30 Wie Stein erstarren die Wasser / und wird fest die Fläche der Flut.
31 Knüpfst du die Bande des Siebengestirns / oder löst du des Orions Fesseln?
32 Führst du heraus des Tierkreises Sterne zur richtigen Zeit, / lenkst du die Löwin samt ihren Jungen?
33 Kennst du die Gesetze des Himmels, / legst du auf die Erde seine Urkunde nieder?
34 Erhebst du zu den Wolken deine Stimme, / dass dich die Woge des Wassers bedeckt?
35 Entsendest du die Blitze, dass sie eilen / und dir sagen: Wir sind da?
36 Wer verlieh dem Ibis Weisheit / oder wer gab Einsicht dem Hahn?
37 Wer zählt in Weisheit die Wolken, / und die Schläuche des Himmels, wer schüttet sie aus,
38 wenn der Erdboden hart wird, als sei er gegossen, / und Erdschollen zusammenkleben?
39 Erjagst du Beute für die Löwin, / stillst du den Hunger der jungen Löwen,
40 wenn sie sich ducken in den Verstecken, / im Dickicht auf der Lauer liegen?
41 Wer bereitet dem Raben seine Nahrung, / wenn seine Jungen schreien zu Gott und umherirren ohne Futter?


39

1 Kennst du der Steinböcke Wurfzeit, / überwachst du das Werfen der Hirsche?
2 Zählst du die Monde, die tragend sie füllen, / kennst du die Zeit ihres Wurfs?
3 Sie kauern sich, werfen ihre Jungen, / werden los ihre Wehen.
4 Ihre Jungen erstarken, wachsen im Freien, / laufen hinaus und kehren nicht zu ihnen zurück.
5 Wer hat das Maultier freigelassen, / des Wildesels Fesseln, wer schloss sie auf?
6 Ich gab ihm zur Behausung die Steppe, / zu seiner Wohnung die salzige Trift.
7 Er verlacht das Lärmen der Stadt, / hört nicht des Treibers Geschrei.
8 Die Berge sucht er nach Weide ab, / jeglichem Grün spürt er nach.
9 Wird dir der Wildstier dienen wollen, / bleibt er an deiner Krippe zur Nacht?
10 Hältst du am Seil ihn in der Furche, / pflügt er die Täler hinter dir her?
11 Traust du ihm, weil er so stark ist? / Überlässt du ihm deine Arbeit?
12 Glaubst du ihm, dass er wiederkommt / und deine Saat auf die Tenne bringt?
13 Lustig schlägt die Straußenhenne die Flügel. / Ist ihre Schwinge darum so / wie die des Storches und Falken?
14 Nein, sie gibt der Erde ihre Eier preis, / lässt sie erwärmen im Sand,
15 vergisst, dass sie ein Fuß zerdrücken, / das Wild des Feldes sie zertreten kann;
16 sie behandelt ihre Jungen hart wie Fremde; / war umsonst ihre Mühe, es erschreckt sie nicht.
17 Denn Gott ließ sie Weisheit vergessen, / gab ihr an Verstand keinen Teil.
18 Im Augenblick aber, wenn sie hochschnellt, / verlacht sie das Ross und seinen Reiter.
19 Gabst du dem Ross die Heldenstärke, / kleidest du mit einer Mähne seinen Hals?
20 Läßt du wie Heuschrecken es springen? / Furchtbar ist sein stolzes Wiehern.
21 Es scharrt im Tal und freut sich, / zieht mit Macht dem Kampf entgegen.
22 Es spottet der Furcht und kennt keine Angst / und kehrt nicht um vor dem Schwert.
23 Über ihm klirrt der Köcher, / Speer und Sichelschwert blitzen.
24 Mit Donnerbeben wirbelt es den Staub auf, / steht nicht still beim Klang des Horns.
25 Sooft das Horn hallt, wiehert es «hui» / und wittert den Kampf schon von weitem, / der Anführer Lärm und das Schlachtgeschrei.
26 Kommt es von deiner Einsicht, / dass der Falke sich aufschwingt / und nach Süden seine Flügel ausbreitet?
27 Fliegt auf dein Geheiß der Adler so hoch / und baut seinen Horst in der Höhe?
28 Auf Felsen wohnt und nächtigt er, / auf der Felsenzacke und an steiler Wand.
29 Von dort erspäht er die Beute, / seine Augen schauen ins Weite.
30 Nach Blut schon gieren seine Jungen; / wo Erschlagene sind, ist er zur Stelle.


40

1 Da antwortete der Herr dem Ijob und sprach:
2 Mit dem Allmächtigen will der Tadler rechten? / Der Gott anklagt, antworte drauf!


Ijobs Antwort: 40,3-5

3 Da antwortete Ijob dem Herrn und sprach:
4 Siehe, ich bin zu gering. Was kann ich dir erwidern? / Ich lege meine Hand auf meinen Mund.
5 Einmal habe ich geredet, ich tu es nicht wieder; / ein zweites Mal, doch nun nicht mehr!


Gottes Weisheit und Macht

6 Da antwortete der Herr dem Ijob aus dem Wettersturm und sprach:
7 Auf, gürte deine Lenden wie ein Mann! / Ich will dich fragen, du belehre mich!
8 Willst du wirklich mein Recht zerbrechen, / mich schuldig sprechen, damit du Recht behältst?
9 Hast du denn einen Arm wie Gott, / dröhnst du wie er mit Donnerstimme?
10 So schmücke dich mit Hoheit und mit Majestät / und kleide dich in Prunk und Pracht!
11 Lass die Fluten deines Zornes sich ergießen, / schau an jeden Stolzen, demütige ihn!
12 Schau an jeden Stolzen, zwing ihn nieder! / Zertritt die Frevler auf der Stelle!
13 Verbirg sie insgesamt im Staub, / schließ sie leibhaftig im Erdinnern ein!
14 Dann werde auch ich dich preisen, / weil deine Rechte den Sieg dir verschaffte.
15 Sieh doch das Nilpferd, das ich wie dich erschuf. / Gras frisst es wie ein Rind.
16 Sieh doch die Kraft in seinen Lenden / und die Stärke in den Muskeln seines Leibs!
17 Wie eine Zeder lässt es hängen seinen Schwanz; / straff sind verflochten seiner Schenkel Sehnen.
18 Seine Knochen sind Röhren von Erz, / wie Eisenstangen sein Gebein.
19 Es ist der Anfang der Wege Gottes; / der es gemacht hat, gab ihm sein Schwert.
20 Doch die Berge tragen ihm Futter zu / und alle Tiere des Feldes spielen dort.
21 Es lagert unter Kreuzdornbüschen, / in dem Versteck von Schilf und Sumpf.
22 Kreuzdornbüsche decken es mit Schatten, / die Pappeln am Fluss umgeben es.
23 Schwillt auch der Fluss, es zittert nicht, / bleibt ruhig, wenn auch die Flut ihm ins Maul dringt.
24 Kann man an den Augen es fassen, / mit Haken ihm die Nase durchbohren?
25 Kannst du das Krokodil am Angelhaken ziehen, / mit der Leine seine Zunge niederdrücken?
26 Legst du ein Binsenseil ihm in die Nase, / durchbohrst du mit einem Haken seine Backe?
27 Fleht es dich groß um Gnade an? / Richtet es zärtliche Worte an dich?
28 Schließt es einen Pakt mit dir, / sodass du es dauernd nehmen kannst zum Knecht?
29 Kannst du mit ihm wie mit einem Vogel spielen, / bindest du es für deine Mädchen an?
30 Feilschen darum die Jagdgenossen, / verteilen sie es stückweise unter die Händler?
31 Kannst du seine Haut mit Spießen spicken, / mit einer Fischharpune seinen Kopf?
32 Leg nur einmal deine Hand daran! / Denk an den Kampf! Du tust es nie mehr.


41

1 Sieh, das Hoffen darauf wird enttäuscht; / sein bloßer Anblick bringt zu Fall.
2 So kühn ist keiner, es zu reizen; / wer könnte ihm wohl trotzen?
3 Wer begegnete ihm und bliebe heil? / Unter dem ganzen Himmel gibt es so einen nicht.
4 Ich will nicht schweigen von seinen Gliedern, / wie groß und mächtig, wie wohlgeschaffen es ist.
5 Wer öffnet die Hülle seines Kleides, / wer dringt in seinen Doppelpanzer ein?
6 Wer öffnet die Tore seines Mauls? / Rings um seine Zähne lagert Schrecken.
7 Reihen von Schilden sind sein Rücken, / verschlossen mit Siegel aus Kieselstein.
8 Einer reiht sich an den andern, / kein Lufthauch dringt zwischen ihnen durch.
9 Fest haftet jeder an dem andern, / sie sind verklammert, lösen sich nicht.
10 Sein Niesen lässt Licht aufleuchten; / seine Augen sind wie des Frührots Wimpern.
11 Aus seinem Maul fahren brennende Fackeln, / feurige Funken schießen hervor.
12 Rauch dampft aus seinen Nüstern / wie aus kochendem, heißem Topf.
13 Sein Atem entflammt glühende Kohlen, / eine Flamme schlägt aus seinem Maul hervor.
14 Stärke wohnt in seinem Nacken, / vor ihm her hüpft bange Furcht.
15 Straff liegt seines Wanstes Fleisch, / wie angegossen, unbewegt.
16 Sein Herz ist fest wie Stein, / fest wie der untere Mühlstein.
17 Erhebt es sich, erschrecken selbst die Starken; / vor Schrecken wissen sie nicht aus noch ein.
18 Trifft man es, kein Schwert hält stand, / nicht Lanze noch Geschoss und Pfeil.
19 Eisen achtet es wie Stroh, / Bronze wie morsch gewordenes Holz.
20 Kein Bogenpfeil wird es verjagen, / in Stoppeln verwandeln sich ihm / die Steine der Schleuder.
21 Wie Stoppeln dünkt ihm die Keule, / es lacht nur über Schwertergerassel.
22 Sein Unteres sind Scherbenspitzen; / ein Dreschbrett breitet es über den Schlamm.
23 Die Tiefe lässt es brodeln wie den Kessel, / macht das Meer zu einem Salbentopf.
24 Es hinterlässt eine leuchtende Spur; / man meint, die Flut sei Greisenhaar.
25 Auf Erden gibt es seinesgleichen nicht, / dazu geschaffen, um sich nie zu fürchten.
26 Alles Hohe blickt es an; / König ist es über alle stolzen Tiere.