Das Buch Kohelet
Alte Spruchweisheiten - kritisch überprüft: 6,11 - 9,6
Einleitung
11 Es gibt viele Worte, die nur den Windhauch vermehren. Was nützt das dem Menschen? 12 Denn: Wer kann erkennen, was für den Menschen besser ist in seinem Leben, während der wenigen Tage seines Lebens voll Windhauch, die er wie ein Schatten verbringt? Und wer kann dem Menschen verkünden, was nach ihm unter der Sonne geschehen wird?
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1 Besser ein guter Name als Parfüm - / und der Tag eines Todes als der Tag einer Geburt; 2 besser der Gang in ein Haus, wo man trauert, / als der Gang in ein Haus, wo man trinkt. Weil dies das Ende jedes Menschen ist, / macht, wer noch lebt, sich Gedanken. 3 Besser sich ärgern als lachen; / denn bei einem vergrämten Gesicht wird das Herz heiter. 4 Das Herz der Gebildeten ist im Haus, wo man trauert, / das Herz der Ungebildeten im Haus, wo man sich freut.
Zum Thema: Bildung
5 Besser die Mahnrede eines Gebildeten anhören, / als dem Gesang der Ungebildeten lauschen; 6 denn wie das Prasseln der Dornen unter dem Kessel, / so ist das Lachen des Ungebildeten. - Aber auch das ist Windhauch, denn: 7 Erpressung verblendet den Gebildeten / und Bestechung verdirbt den Verstand.
Zum Thema: Zurückhaltung und Hängen am Hergebrachten
8 Besser der Ausgang einer Sache als ihr Anfang, / besser der Vorsichtige als der Stürmische. 9 Lass dich nicht aufregen, sodass du dich ärgerst, / denn Ärger steckt in den Ungebildeten. - 10 Doch frag nicht: Wie kommt es, dass die früheren Zeiten besser waren als unsere? Denn deine Frage zeugt nicht von Wissen.
Zum Thema: Wissen als Mittel zu langem Leben
11 Wissen ist so viel wert wie Erbbesitz, / es ist sogar mehr wert für die, welche die Sonne sehen; 12 denn wer sich im Schatten des Wissens birgt, der ist auch im Schatten des Geldes; / aber das ist der Vorteil des Könnens: Das Wissen erhält seinen Besitzer am Leben. - 13 Doch sieh ein, dass Gottes Tun noch hinzukommt. Denn: Wer kann gerade biegen, was er gekrümmt hat? 14 Am Glückstag erfreue dich deines Glücks und am Unglückstag sieh ein: Auch diesen hat Gott geschaffen, genau wie jenen, sodass der Mensch von dem, was nach ihm kommt, gar nichts herausfinden kann. 15 In meinen Tagen voll Windhauch habe ich beides beobachtet: Es kommt vor, dass ein gesetzestreuer Mensch trotz seiner Gesetzestreue elend endet, und es kommt vor, dass einer, der sich nicht um das Gesetz kümmert, trotz seines bösen Tuns ein langes Leben hat. 16 Halte dich nicht zu streng an das Gesetz und sei nicht maßlos im Erwerb von Wissen! Warum solltest du dich selbst ruinieren? 17 Entfern dich nicht zu weit vom Gesetz und verharre nicht im Unwissen: Warum solltest du vor der Zeit sterben? 18 Es ist am besten, wenn du an dem einen fest hältst, aber auch das andere nicht loslässt. Wer Gott fürchtet, wird sich in jedem Fall richtig verhalten.
Zum Thema: Wissen als Schutz:
19 Das Wissen ist für den Gebildeten ein stärkerer Schutz/ als zehn Machthaber zusammen, / die in der Stadt geherrscht haben. - 20 Doch gibt es auf der Erde keinen einzigen Menschen, der so gesetzestreu wäre, dass er stets richtig handelt, ohne je einen Fehler zu begehen. 21 Hör auch nicht auf all die Worte, die man so sagt. Denn niemals wirst du einen Untergebenen über dich schimpfen hören, 22 und doch bist du dir bewusst, dass auch du sehr oft über andere geschimpft hast.
Zum Thema: Überliefertes Wissen und Wissen aus Beobachtung
23 Auf allen Wegen habe ich es mit dem Wissen versucht. Ich habe gesagt: Ich will lernen und dadurch gebildet werden. Aber das Wissen blieb für mich in der Ferne. 24 Fern ist alles, was geschehen ist, / und tief, tief versunken - / wer könnte es wieder finden? 25 So habe ich, genauer: mein Verstand, mich umgestellt. Ich wollte forschend und suchend erkennen, was dasjenige Wissen wirklich ist, das Einzelbeobachtungen zusammenrechnet. Ferner wollte ich erkennen, ob Gesetzesübertretung mit mangelnder Bildung und Unwissen mit Verblendung zusammenhängt. 26 Immer wieder finde ich die Ansicht, stärker als der Tod sei die Frau. Denn: Sie ist ein Ring von Belagerungstürmen / und ihr Herz ist ein Fangnetz, / Fesseln sind ihre Arme. Wem Gott wohlwill, der kann sich vor ihr retten, / wessen Leben verfehlt ist, wird von ihr eingefangen. 27 Aber sieh dir an, was ich, Beobachtung um Beobachtung, herausgefunden habe, sagte Kohelet, bis ich schließlich das Rechenergebnis fand, 28 oder vielmehr: wie ich immer wieder suchte und nichts fand: Von tausend Menschen habe ich nur einen wieder gefunden, / aber der, den ich von ihnen allen wieder gefunden habe, war keine Frau. 29 Sieh dir an, was ich als Einziges herausgefunden habe: Gott hat die Menschen rechtschaffen gemacht, / aber sie haben sich in allen möglichen Berechnungen versucht.
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Zum Thema: Gebildete und König
1 Wer ist hier gebildet? Wer versteht es, ein Wort zu deuten? Das Wissen eines Menschen macht seine Miene strahlend / und seine strengen Züge lösen sich. - 2 Ich (dagegen sage): Achte auf die Befehle des Königs, und zwar im Hinblick auf den vor Gott geleisteten Eid. 3 Entferne dich nicht hastig aus seiner Gegenwart und versteife dich nicht auf eine Sache, wenn sie schlimm auszugehen droht. Denn alles, wozu er sich entscheidet, setzt er auch durch. 4 Hinter dem Wort des Königs steht nun einmal die Macht. Wer also kann ihm sagen: Was tust du?
Zum Thema: Schicksal des gebildeten Gesetzestreuen und des ungebildeten Gesetzesübertreters
5 Wer auf das Gebot achtet, den trifft nichts Schlimmes, / der Verstand des Gebildeten weiß die rechte Zeit. - 6 Allerdings: Es gibt die rechte Zeit für jedes Geschehen und: Schlimmes Geschick lastet häufig auf dem Menschen und: 7 Er weiß nicht, was geschehen wird. / Wie es geschehen wird - wer verkündet es ihm? 8 Es gibt keinen Menschen, der Macht hat über den Wind, / sodass er den Wind einschließen könnte. Es gibt keine Macht über den Sterbetag. / Es gibt im Krieg keinen Urlaub. / Selbst ein Gesetzesbruch kann die Gesetzesbrecher nicht retten. 9 All dies habe ich beobachtet, als ich mich zu einer Zeit, wo ein Mensch seine Macht über den andern Menschen dazu benutzte, diesem zu schaden, mit jedem Tun beschäftigte, das unter der Sonne getan wurde. 10 Dabei habe ich beobachtet, wie Menschen, die das Gesetz übertreten hatten, ein Begräbnis erhielten, während andere, die recht getan hatten, ankamen und vom Ort des Heiligtums wieder weggehen und bald in der Stadt vergessen sein werden. Auch das ist Windhauch. 11 Denn: Wo keine Strafe verhängt wird, / ist die Bosheit schnell am Werk. Deshalb wächst im Herzen der Menschen die Lust, Böses zu tun.
Weiterführung
12 Denn: Ein Sünder kann hundertmal Böses tun / und dennoch lange leben. Freilich kenne ich das Wort: Denen, die Gott fürchten, wird es gut gehen, / weil sie sich vor ihm fürchten; 13 dem, der das Gesetz übertritt, wird es nicht gut gehen / und er wird kein langes Leben haben, gleich dem Schatten, / weil er sich nicht vor Gott fürchtet. - 14 Doch es gibt etwas, das auf der Erde getan wurde und Windhauch ist: Es gibt gesetzestreue Menschen, denen es so ergeht, / als hätten sie wie Gesetzesbrecher gehandelt; und es gibt Gesetzesbrecher, / denen es so ergeht, / als hätten sie wie Gesetzestreue gehandelt.Ich schloss daraus, dass auch dies Windhauch ist. 15 Da pries ich die Freude; denn es gibt für den Menschen kein Glück unter der Sonne, es sei denn, er isst und trinkt und freut sich. Das soll ihn begleiten bei seiner Arbeit während der Lebenstage, die Gott ihm unter der Sonne geschenkt hat.
Zum Thema: Grenzen der Erkenntnis
16 [] 17 Als ich mir vorgenommen hatte zu erkennen, was Wissen wirklich ist, und zu beobachten, welches Geschäft eigentlich auf der Erde getätigt wird, da sah ich ein, dass der Mensch, selbst wenn er seinen Augen bei Tag und Nacht keinen Schlaf gönnt, das Tun Gottes in seiner Ganzheit nicht wieder finden kann, das Tun, das unter der Sonne getan wurde. Deshalb strengt der Mensch, danach suchend, sich an und findet es doch nicht wieder. Selbst wenn der Gebildete behauptet, er erkenne - er kann es doch nicht wieder finden.
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1 Denn ich habe über dies alles nachgedacht und dies alles überprüft, wobei sich ergab: Die Gesetzestreuen und Gebildeten mit ihrem Tun stehen unter Gottes Verfügung. Der Mensch erkennt nicht, ob er geliebt ist oder ob er verschmäht ist. So liegt auch bei ihnen beides offen vor ihnen. 2 Beides - wie bei allen Menschen. Aber ein und dasselbe Geschick trifft den Gesetzestreuen und den Gesetzesbrecher, den Guten, den Reinen und den Unreinen, den Opfernden und den, der nicht opfert. Dem Guten ergeht es wie dem Sünder, dem Schwörenden ebenso wie dem, der den Schwur scheut. 3 Das ist das Schlimme an allem, was unter der Sonne getan wurde, dass alle dann ein und dasselbe Geschick trifft und dass in den Menschen überdies die Lust zum Bösen wächst und Verblendung ihren Geist erfasst, während sie leben und danach, wenn sie zu den Toten müssen - 4 ja, wer würde da ausgenommen? Für jeden Lebenden gibt es noch Zuversicht. Denn: Ein lebender Hund ist besser als ein toter Löwe. 5 Und: Die Lebenden erkennen, dass sie sterben werden; die Toten aber erkennen überhaupt nichts mehr. Sie erhalten auch keine Belohnung mehr; denn die Erinnerung an sie ist in Vergessenheit versunken. 6 Liebe, Hass und Eifersucht gegen sie, all dies ist längst erloschen. Auf ewig haben sie keinen Anteil mehr an allem, was unter der Sonne getan wurde.
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