INHALT   IMPRESSUM   Buch   Suchen  



Das Buch der Weisheit

Das Wesen und Wirken der Weisheit: 6,22 - 8,18

Einleitung

22 Ich will verkünden, was die Weisheit ist und wie sie wurde, / und will euch kein Geheimnis verbergen. / Ich will ihre Spur vom Anfang der Schöpfung an verfolgen, / ihre Kenntnis will ich verbreiten / und nicht an der Wahrheit vorbeigehen.
23 Verzehrender Neid soll mich nicht auf meinem Weg begleiten; / denn er hat mit der Weisheit nichts gemein.
24 Eine große Anzahl von Weisen ist Heil für die Welt, / ein kluger König ist Wohlstand für das Volk.
25 Lasst euch also durch meine Worte unterweisen; / es wird euch von Nutzen sein.


7

1 Auch ich bin ein sterblicher Mensch wie alle anderen, / Nachkomme des ersten, aus Erde gebildeten Menschen. Im Schoß der Mutter wurde ich zu Fleisch geformt, /
2 zu dem das Blut in zehn Monaten gerann durch den Samen des Mannes / und die Lust, die im Beischlaf hinzukam.
3 Geboren atmete auch ich die gemeinsame Luft, / ich fiel auf die Erde, die Gleiches von allen erduldet, / und Weinen war mein erster Laut wie bei allen.
4 In Windeln und mit Sorgen wurde ich aufgezogen; /
5 kein König trat anders ins Dasein.
6 Alle haben den einen gleichen Eingang zum Leben; / gleich ist auch der Ausgang.


Die Gottesgabe der Weisheit

7 Daher betete ich und es wurde mir Klugheit gegeben; / ich flehte und der Geist der Weisheit kam zu mir.
8 Ich zog sie Zeptern und Thronen vor, / Reichtum achtete ich für nichts im Vergleich mit ihr.
9 Keinen Edelstein stellte ich ihr gleich; / denn alles Gold erscheint neben ihr wie ein wenig Sand / und Silber gilt ihr gegenüber so viel wie Lehm.
10 Ich liebte sie mehr als Gesundheit und Schönheit / und zog ihren Besitz dem Lichte vor; / denn niemals erlischt der Glanz, / der von ihr ausstrahlt.
11 Zugleich mit ihr kam alles Gute zu mir, / unzählbare Reichtümer waren in ihren Händen.
12 Ich freute mich über sie alle, / weil die Weisheit lehrt, sie richtig zu gebrauchen, / wusste aber nicht, dass sie auch deren Ursprung ist.
13 Uneigennützig lernte ich und neidlos gebe ich weiter; / ihren Reichtum behalte ich nicht für mich.
14 Ein unerschöpflicher Schatz ist sie für die Menschen; / alle, die ihn erwerben, erlangen die Freundschaft Gottes. / Sie sind empfohlen durch die Gaben der Unterweisung.


Bitte um die Gabe der Lehre

15 Mir aber gewähre Gott, nach meiner Einsicht zu sprechen / und zu denken, wie die empfangenen Gaben es wert sind; denn er ist der Führer der Weisheit / und hält die Weisen auf dem rechten Weg.
16 Wir und unsere Worte sind in seiner Hand, / auch alle Klugheit und praktische Erfahrung.
17 Er verlieh mir untrügliche Kenntnis der Dinge, / sodass ich den Aufbau der Welt und das Wirken der Elemente verstehe,
18 Anfang und Ende und Mitte der Zeiten, / die Abfolge der Sonnenwenden und den Wandel der Jahreszeiten,
19 den Kreislauf der Jahre und die Stellung der Sterne,
20 die Natur der Tiere und die Wildheit der Raubtiere, / die Gewalt der Geister und die Gedanken der Menschen, / die Verschiedenheit der Pflanzen und die Kräfte der Wurzeln.
21 Alles Verborgene und alles Offenbare habe ich erkannt; / denn es lehrte mich die Weisheit, die Meisterin aller Dinge.


Das Wesen der Weisheit

22 In ihr ist ein Geist, / gedankenvoll, heilig, einzigartig, mannigfaltig, zart, beweglich, / durchdringend, unbefleckt, klar, / unverletzlich, das Gute liebend, scharf,
23 nicht zu hemmen, wohltätig, menschenfreundlich, / fest, sicher, ohne Sorge, alles vermögend, alles überwachend / und alle Geister durchdringend, / die denkenden, reinen und zartesten.
24 Denn die Weisheit ist beweglicher als alle Bewegung; / in ihrer Reinheit durchdringt und erfüllt sie alles.
25 Sie ist ein Hauch der Kraft Gottes / und reiner Ausfluss der Herrlichkeit des Allherrschers; / darum fällt kein Schatten auf sie.
26 Sie ist der Widerschein des ewigen Lichts, / der ungetrübte Spiegel von Gottes Kraft, / das Bild seiner Vollkommenheit.
27 Sie ist nur eine und vermag doch alles; / ohne sich zu ändern, erneuert sie alles. Von Geschlecht zu Geschlecht tritt sie in heilige Seelen ein / und schafft Freunde Gottes und Propheten;
28 denn Gott liebt nur den, / der mit der Weisheit zusammenwohnt.
29 Sie ist schöner als die Sonne / und übertrifft jedes Sternbild. / Sie ist strahlender als das Licht;
30 denn diesem folgt die Nacht, / doch über die Weisheit siegt keine Schlechtigkeit.


8

1 Machtvoll entfaltet sie ihre Kraft von einem Ende zum andern / und durchwaltet voll Güte das All.


Die Weisheit als Lehrerin der Tugend

2 Sie habe ich geliebt und gesucht von Jugend auf, / ich suchte sie als Braut heimzuführen / und fand Gefallen an ihrer Schönheit.
3 Im Umgang mit Gott beweist sie ihren Adel, / der Herr über das All gewann sie lieb.
4 Eingeweiht in das Wissen Gottes, / bestimmte sie seine Werke.
5 Ist Reichtum begehrenswerter Besitz im Leben, / was ist dann reicher als die Weisheit, die in allem wirkt?
6 Wenn Klugheit wirksam ist, / wer in aller Welt ist ein größerer Meister als sie?
7 Wenn jemand Gerechtigkeit liebt, / in ihren Mühen findet er die Tugenden. Denn sie lehrt Maß und Klugheit, / Gerechtigkeit und Tapferkeit, / die Tugenden, die im Leben der Menschen nützlicher sind als alles andere.
8 Wenn jemand nach reicher Erfahrung strebt: / sie kennt das Vergangene und errät das Kommende, sie versteht, die Worte schön zu formen und Rätselhaftes zu deuten; / sie weiß im Voraus Zeichen und Wunder / und kennt den Ausgang von Perioden und Zeiten.


Die Weisheit als Lebensgefährtin

9 So beschloss ich, sie als Lebensgefährtin heimzuführen; / denn ich wusste, dass sie mir guten Rat gibt / und Trost in Sorge und Leid.
10 Mit ihr werde ich Ruhm beim Volke haben / und trotz meiner Jugend vom Alter geehrt sein.
11 Ich werde als scharfsinniger Richter gelten / und in den Augen der Mächtigen Staunen erregen.
12 Schweige ich, so warten sie in Spannung, / spreche ich, so merken sie auf, / rede ich länger, so legen sie die Hand auf den Mund.
13 Mit ihr werde ich Unsterblichkeit erlangen / und ewigen Ruhm bei der Nachwelt hinterlassen.
14 Völker werde ich sorgsam leiten / und Nationen werden mir untertan sein.
15 Schreckliche Tyrannen werden mich fürchten, wenn sie von mir hören; / in der Volksversammlung werde ich mich als tüchtig und im Krieg als tapfer erweisen.
16 Komme ich nach Hause, / dann werde ich bei ihr ausruhen; denn der Umgang mit ihr hat nichts Bitteres, / das Leben mit ihr kennt keinen Schmerz, / sondern nur Frohsinn und Freude.
17 Als ich dies bei mir überlegte und in meinem Herzen erwog, / dass das Leben mit der Weisheit Unsterblichkeit bringt,
18 die Freundschaft mit ihr reine Freude / und die Mühen ihrer Hände unerschöpflichen Reichtum, dass stete Gemeinschaft mit ihr Klugheit bringt / und das Zwiegespräch mit ihr Ruhm -, / da ging ich auf die Suche nach ihr, um sie heimzuführen.